Randnotiz

Endlich allein

Das Zweitschönste im Sommer ist der Urlaub. Das Schönste ist der Urlaub der Kollegen. Die Ziege aus der Registratur, der blöde Affe vom Versand, der Hängebauch in der Montage und die Erbsenzähler in der Bauabteilung - alle sind weg. Die Arbeit ist äußerst erholsam. Und es bestätigt sich der Verdacht, den man bei den Sonntagsdiensten hat: Je weniger Leute arbeiten, umso weniger Arbeit fällt an.

Auch den Nachbarn wünscht man von Herzen eine lange Reise. Sie muss ja gar nicht weit weg sein, es reicht, dass sie ihr Auto voll packen und um die Ecke biegen. Endlich mal kein Hip-Hop aus den Lautsprechern ihres unerzogenen Sohnes, endlich kein Gemäkel am eigenen Groovy-Sound, der mal wieder zu laut gewesen sein soll, endlich kein Spießer-Gerede, man habe die Einfahrt zugeparkt oder den falschen Abfalleimer gefüllt. Endlich allein.

Und wenn man dann selbst in den Urlaub fährt, ist alles wie zu Hause: lärmende Nachbarskinder, die Ziege am Hotelempfang, ein Hängebauch als Taxifahrer, blöde Affen am Strand. Wenn man es nicht so viel besser wüsste, könnte man glatt sich selbst für das Problem halten.

Sozialschlemmer

Deutsche Meisterköche schlagen die Hände über ihren drei Sternen zusammen: Der Besserverdienende traut sich nicht mehr, besser zu tafeln. Gewissensbisse wegen Luxusbissen! Schuldgefühle zu flambierten Wachtelwaden an Kapernpüree bei Schimmelkäseschaum im mundgeblasenen Glasnudelnest. Schamesröte im Gesicht, Tränen auf der Wange zum edlen Tropfen im Glase In den Gourmettempeln bleiben Austern ungeschlürft, und das Zucchini-Zimt-Halbgefrorene taut traurig vor sich hin - alles eine Folge sozialer Desinformation!

Wenn es sich der Wohlhabende wohl schmecken und bekommen lässt, kurbelt er schließlich nicht nur die Gast-, sondern auch die Wirtschaft als solche an. Mit diesem Argument werben die Edelverköstiger für ihren gehobenen Dienst am Magen. Doch das 14-Gänge-Menü als marktwirtschaftliche Wohltat - es ist noch viel wirksamer. Denn wer für sein hart verdientes Geld Butterweiches und Zartschmelzendes den Gaumen hinab gleiten lässt, am besten mit viel Schmalz, Schmand und einem Schuss, den trifft auch viel früher der Schlag. Und entlastet somit zudem die Rentenkasse.

Parkformel

Es ist ja schon ein Widerspruch in sich, was dieser Tage aus England gemeldet wurde. Danach hat ausgerechnet eine Frau die mathematische Formel zum perfekten Einparken entwickelt.
Der Autofahrer kann da nur milde lächeln. Es genügt nicht, eine Formel zu wissen, sie muss auch umgesetzt werden können.
Die Wissenschaftlerin - ob sie einen Führerschein besitzt, ist leider nicht bekannt - kommt in ihrer komplizierten Gleichung zu folgendem Schluss: Die notwendigen Bedingungen für ein perfektes S-förmiges Parallel-Parkmanöver sind die richtige Startposition (aha), die Größe der verfügbaren Lücke (schau einer an) und die korrekte Handhabung der Steuerung innerhalb des verfügbaren Einschlagraumes (wer hätte das gedacht).
Verehrte Autofahrer, falls Ihr heute mal wieder kopfschüttelnd zuschaut, wie ein weibliches Wesen den x-ten Versuch unternimmt, eine Parklücke anzusteuern, wappnet Euch mit der Geduld des Überlegenen.
Die Dame hat eben die Formel ihrer Geschlechtsgenossin noch nicht begriffen. Außerdem: Formel hin, Formel her. Auch beim Einparken gilt - selbst für Männer - Übung macht den Meister.

Die Sauerei im Walde

Gestern im Wald: eine Knäckebrotverpackung, daneben ein Papiertaschentuchtütchen umringt von vielen Schneuztüchern. Schnitzeljagd mit Grippeviren. Entzückende Idee! Eine plattgetretene Kunststoffflasche liegt auf dem Weg, und im Gebüsch ein paar Meter weiter schlecht versteckt Bierdosen. Wir warten gespannt auf die Erkenntnisse der menschlichen Genomforschung. Irgendwo in der Erbinformation muss das Gen liegen, das Menschen beim ersten Sonnenstrahl unter Mitnahme eines Teils ihres Hausstandes und möglichst vieler wegwerfbarer Güter in die Natur zwingt. Auf dem Hinweg haben sie genug Platz für Cola und Co. in ihren Cargohosen und Rucksäcken. Kaum haben sie ihre Schätze vertilgt, aber nicht mehr. Dieses Gen muss viel Platz auf der Erbinformation einnehmen. Es ist offenbar dominant und gewinnt im Zweifelsfall die Oberhand über das mit den Informationen zur Pfandverordnung. In diesem Fall hoffen wir auf die Gentherapie.

Sex oder Äpfel

Lust und Liebe sind das, was die Welt in Bewegung hält. Ein Männermagazin meldet mal wieder aus der Forschung: Viel Sex ersetzt Arzt und Apotheker. Erotische Leibesübungen sollen für alles gut sein. Vom Schnupfenmittelersatz bis zur Herzinfarkt- und Krebsvorsorge. Und Dickerchen können jubeln: Nach 26 Minuten inklusive Höhepunkt seien die Kalorien einer halben Pizza verbrannt.
Abgesehen davon, dass 26 Minuten für den Normalbürger schon infarktverdächtig lang sind: Sollen wir uns jetzt alle dem sexuellen Leistungssport verschreiben? Nach dem Motto: "Schatzi, wir müssen heute wieder. Du weißt ja, mein Herz. Äh, und dein Bauch ist, na ja ..."
Bei aller Ehrfurcht vor der Wissenschaft: Wie wäre es als Alternative mit der guten alten britischen Lebensweisheit: An Apple A Day Keeps The Doctor Away (Wer täglich einen Apfel ist, braucht keinen Arzt). Na, immerhin könnte die neue Fitness-Lust die lahmende Geburtenrate in Deutschland wieder steigern: Gestressten, über ihren Nachwuchs jammernden Eltern sei dann erst recht der launige Spruch empfohlen: "Selber schuld. Hättet ihr halt einen Apfel gegessen."

Tür zu! Licht aus!

Es ist absurd aber wahr, dass man in dem Lebensalter, in dem man Geld verdient, es am gründlichsten zusammenhalten muss. Wenn man Kinder hat. Und da ist das kindliche Lebensalter, in dem die lieben Kleinen ohne Kenntnis des Geldwerts es mit vollen Händen zum Fenster hinauswerfen. Oder, besser: es mit offenen Türen zum Fenster hinaus heizen. Es gibt im Winter Familien, in denen die Eltern auch dann automatisch "Tür zu!" bellen, wenn es nur der Hund ist, der ins Zimmer schleicht.
Ganzjährig können diese Kinder die Eltern auf ähnliche Art reizen, wenn sie das Licht brennen lassen. Es ist volkswirtschaftlich und politisch bisher nie erkannt worden, deswegen müssen wir das hier nachholen, wie viele Atomkraftwerke wir sofort abschalten könnten, wenn alle Kinder Lampen, die sie nicht brauchen, ausknipsen würden.
Heizöl, Holz, Atomkraft, Kohle, Gas, Strom und globale Erhitzung: Wir haben diese Welt nur von unseren Kindern geliehen. Das ist ein großer Satz. Die Wirklichkeit in den Familien sieht anders aus: Es sind auch die Kinder, die Umweltsünden begehen. Und zwar im doppelten Sinne auf Kosten der Eltern.
 
Vorbesteller
 
Ob Mit der Lebensplanung kann man nicht früh genug anfangen. Vor der Geburt ist gut, vor der Zeugung noch besser. Fürsorge heißt Vorsorge, weshalb fürsorgliche Männer und Frauen spätestens nach dem ersten Blickkontakt Vorsorge für ihren potenziellen Sprössling treffen.
Sie melden den Ungezeugten umgehend im Hochbegabten-Hort an. Sie ordern einen Familienausflug mit der Bahn für 13. März 2009 - Achtung! Frühbucher-Rabatt -, und sie bestellen beim Öko-Metzger drei halbe Brathähnchen fürs Mittagessen am 20. Juni 2014 vor. Weil: wer pünktlich kommt, den bestrafen die Vorbesteller. "Ätsch, alle Plätze/Hähnchen sind schon weg!" - "Alles telefonisch/schriftlich/persönlich reserviert!"
Spontan sein? Vergiss es! Die Welt gehört denen, die morgen das tun, was sie vorgestern gebucht haben und die heute nur an übermorgen denken. Planung ist ihr ganzes Leben.
Arme Schweine. Trotz reservierter Gockelhälften und Supersonderfahrkartenermäßigung.
Dann doch lieber Transuse sein als ewig und drei Tage im Wettbewerb mit Vorbestellern. Am Ende noch auf dem Frühbucherrabatt-Friedhof.
 
Fett weg
 
Endlich Knackarsch und Traumtaille, Heldenkörper und Waschbrettbauch! Ade, Schwabbel und Schwimmreif, Schwitz und Schwarte! Nie mehr Friss-die-Hälfte oder Kotz-das-Doppelte. Das Essen kriegt sein Fett weg, der Durchbruch auf dem Diät-Markt ist da: Die Werbung verspricht neuerdings - Kaubonbons ohne Fett, garantiert.
Bisher haben in Kaubonbons wohl Unmengen von Öl, Butter und Schmalz nur darauf gewartet, sich an unseren Hüften festzukrallen. Da fliegt mir doch das Fett weg: völlig fettfreie Kaubonbons ohne Fett, null Fett, Fett ab, weg und fort. Auf Trend-Slang: mit ohne Fett. Auf Frauenzeitschriftendeutsch: Ich bin so frei, fettfrei. Auf Kanaksprak: Voll fett kein Fett.
Eine fetzige Idee mit Folgen. Schon bald im Supermarkt: fettfreie Gummibärchen, fettfreier Lakritz, fettfreie Götterspeise. Brausepulver? Fettfrei! Mineralwasser? Gurken? Na klar!
Das Gesundheitswesen wird revolutioniert, der Gedanke Schule machen. Schon bald atmen Vegetarier auf: Salzstangen, ganz ohne tierisches Eiweiß. Und für Menschen, die unter Nussallergie leiden? Blutwurst, ganz ohne Nüsse, garantiert.
 
Ganz einfach
 
    Arbeiten bis ins hohe Greisenalter? Während gleichzeitig Heerscharen arbeitsloser Jugendlicher auf der Straße stehen? Jawohl! Entgegen der landläufigen Meinung sind diese Pläne der Bundesregierung keineswegs hirnrissig, sondern konsequent und durchdacht. Sie tut damit nur, was alle wollen, nämlich die Rentenkassen sanieren. Das geht so:
    Es gibt bekanntlich immer mehr Rentenempfänger und immer weniger Rentenzahler. Was aber ist einfacher: Die Zahl der Rentenzahler zu erhöhen oder die der Rentenempfänger zu verringern? Natürlich das Zweite. Man lässt die Menschen länger arbeiten. Somit erhalten sie keine Rente, sondern zahlen weiterhin in die Kasse ein, bis sie eines Tages tot umfallen. Dann brauchen sie keine Rente mehr, und das wirkt sich positiv auf die Kassenlage aus.
    Gleichzeitig wird verhindert, dass junge Leute einen beitragspflichtigen Arbeitsplatz und damit Anspruch auf kassenschädigende Berufsunfähigkeits- oder Frührenten erhalten. Wenn also unterm Strich nur noch in die Rentenkasse ein- und nichts mehr ausbezahlt wird, ist sie saniert. Und das haben doch immer alle gewollt.

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