Schwäbisch für Besserwisser

Grüß Gott und Ade

Der Schwabe grüßt gern gottvoll, und zwar nicht nur beim Grüß-Gott-Sagen, sondern nicht minder beim Abschied. Denn der HERR steckt auch in Ade und in Pfiat de.

"Griaß Gott!" - "Wenn d'en siesch!"  Dieser etwas abgestandene Scherz offenbart die inhaltlichen Schwierigkeiten, die viele mit der Formel Griaß Gott haben. Griaß Gott klingt nach einer Befehlsform. Doch der Befehl, den Allmächtigen zu grüßen, macht wenig Sinn.

Was also bedeutet Griaß Gott? Ist hier im Lauf der Zeiten etwa ein "ich" verloren gegangen? Doch welchen Sinn ergäbe "Ich griaß Gott"? Ein solcher Satz würde sich allenfalls als Glaubensbekenntnis eignen, kaum aber, um dem Gesprächspartner Gutes zu wünschen.

Griaß dich Gott klingt schon eher nach einem Segenswunsch. Tatsächlich ist die Grußformel Griaß Gott ebenso wie Griaß dich die Kurzversion von Es grüße dich Gott oder Gott grüße dich. Allerdings kommen wir aber auch hier nicht um die Sinnfrage herum: Soll nun ein freundliches Hallo vom Himmel schallen?

Die Antwort finden wir in Grimms Deutschem Wörterbuch. Dort steht, dass grüßen auch gleichbedeutend mit sein kann mit freundlich, teilnehmend entgegenkommen. Und es ist ein Sprichwort genannt: "Gott grüßt die Menschen, sie wissen es ihm aber nicht zu danken." Damit bedeutet Grüß (dich) Gott "Gott sei dir wohlgesonnen".

Seit dem 12. Jahrhundert wurden die traditionellen germanischen Heils- und Willkommenswünsche unter dem Einfluss der Kirche von solch frommen Grüßen abgelost. Zu denen gehören auch Guten Tag, Guten Abend etc., denn vor diesen Akkusativen stand ursprünglich Gott gebe dir einen ...

"Geh mit Gott, aber geh" ist heute eher eine unfreundliche Verabschiedung, in der aber noch das wohlmeinende alte Geh mit Gott steckt. Und Gott behüte dich ist in Bayern und bayerisch Schwaben zusammengezogen zu Pfüat di bzw. Pfiat de.

Dass der schwäbische Abschied Ade mit dem französischen Adieu zu tun hat, ist offensichtlich. Auch in Adieu steckt Gott, der französisch dieu heißt; es bedeutet in etwa Gott befohlen. Bemerkenswert ist allerdings, dass das breite -e in Ade keine schwäbische Verflachung des graziösen -iö ist. Vielmehr hat sich hierzulande die ursprüngliche Aussprache, wie sie im 12. Jahrhundert gepflogen wurde, erhalten. Denn bereits in höfischer Zeit wurde dieser Gruß aus dem Französischen ins Mittelhochdeutsche übernommen.

Als sich im 16. Jahrhundert in Frankreich die Aussprache änderte, blieb es im Deutschen bei Ade. Und als im Ersten Weltkrieg die deutsche Sprache von Fremdwörtern gesäubert werden sollte, wurde Ade durch Auf Wiedersehen ersetzt.

Doch hat sich Ade / Adieu nicht nur im Schwäbischen gehalten. Weiter nördlich hat es als Adschüs überlebt und als Tschüs bzw. neuerdings Tschöö den Weg in den Süden gefunden. So findet sich Gott selbst in Adele und desgleichen im neuschwäbischen Tschüssle.

Von Henning Petershagen

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