Schwäbisch für Besserwisser

Sotte, sottane und sottige

Bekanntlich gibt es sotte und sotte. Deswegen sagen manche statt sotte lieber sottige und wieder andere sottane. Doch keiner darf behaupten, der andere habe Unrecht.

Der Fatalismus findet in den unterschiedlichen Kulturkreisen seinen unterschiedlichen Ausdruck.. Der Mohammedaner reagiert auf die Unbilden der Welt mit dem Seufzer inschallah (wie Allah will). Der Schwabe neigt eher dazu, den oder die Verursacher des Problems zu suchen, um, wenn er sie gefunden hat, seinerseits zu seufzen: "'S gibt halt sotte und sotte." Sofern er ein ausgemachter Pessimist ist, fügt er hinzu: "Und mehr sotte als sotte."

Er sagt nicht solche und schon gar nicht so'ne, sondern, wie bereits festgestellt sotte, vielleicht sogar sottige oder sottane. Denn auch was den Sprachgebrauch betrifft, gibt es sotte und sotte.

Nun muss man zwar hinnehmen als vermutlich von Gott oder Allah gegeben, dass es sotte und sotte gibt und geben wird bis an der Welt Ende, da bislang die Versuche sämtlicher Weltverbesserer gescheitert sind, die Sottigen so zu reduzieren, dass nur noch sottige übrig geblieben wären. Doch keineswegs gottgegeben ist, dass es bei den Schwaben sotte, sottige und sottane gibt anstatt solche. Erst recht liegt keine Verhunzung des schriftdeutschen  Demonstrativpronomens solch vor, sondern ein ganz anderes Wort, das in der Hochsprache zwar einmal existiert hat, aber mittlerweile längst vergessen ist. Grimms Deutsches Wörterbuch hat es konserviert, sogar in dreifacher Form: sogethan, sothan und sothanig.

Diese Reihenfolge entspricht nicht nur dem Alphabet, sondern auch der historischen Entwicklung. Streichen wir, der Rechtschreibreform vom 1. Januar 1903 gemäß, das h hinterm t, so lautet der erste dieser Begriffe so getan und bedeutet "so beschaffen". Im späten Mittelhochdeutsch ist daneben auch die Form belegt, in der das ge- von getan ausgefallen ist; sie lautete sotan. Als diesem schließlich ein -ig angehängt wurde, entstand sotanig.

Sogetan war in der Schriftsprache nur bis ins 16. Jahrhundert hinein üblich; länger gehalten hat sich sotan, "doch ist das Wort seit Beginn der klassischen Periode (seit Lessing) im gewöhnlichen Gebrauch aufgegeben und findet sich nur noch in alterthümelnder Sprache", sagt Grimm, der auch auf den mundartlichen Gebrauch hinweist.

Die Mundart machte aus den Sogetanen und Sotanen die Sottanen und Sotten. Und die Sotanigen wurden auf die Sottigen reduziert. Damit war der schwäbische Bedarf an Demonstrativa gedeckt und die Solchen im Grunde überflüssig.

Dennoch seien auch die kurz betrachtet: Solch hieß im Mittelhochdeutschen noch solich, und dieses -lich ist verwandt mit der Leiche.

Doch um dieses Kapitel nicht allzu trostlos enden zu lassen, sei betont, dass damit ursprünglich der lebendige Körper, die Gestalt gemeint war, und bekanntlich gibt es auch hiervon sotte und sotte -  und mehr sotte als sotte.

von Henning Petershagen

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