Schwäbisch für Besserwisser

Der Schwabe mokiert sich anders

Wenn Schwaben sich mokieren, tun sie etwas anderes als der Rest der Nation oder die Franzosen: Sie motzen, mucken, meckern.

Das deutsche Tunwort (sich) mokieren kommt vom französischen Verb (se) moquer, und das bedeutet "verspotten, auslachen, sich lustig machen". Im Schwäbischen aber mokiert man sich meist über Dinge, die man überhaupt nicht lustig findet, über die man sich vielmehr gewaltig ärgert.

Das wirft natürlich die Frage auf, warum das so ist. Die Erklärung, Schwaben seien eben viel zu bierernst, um sich über irgendjemanden lustig machen zu können, sie seien viel zu bieder und rechtschaffen, um über jemanden zu spotten, greift zu kurz und ist abgesehen davon nachweislich falsch. Die andere Erklärung, sie seien eben einfach doof, ist zu schlicht, um diesem Phänomen gerecht zu werden.

Vielmehr hat hier ein schwäbisches Verb - vielleicht waren es sogar zwei - sich mit dem französischen Fremdwort gepaart. Das Ergebnis war eine Variante, deren äußere Gestalt dem französischen Mutterwort ähnelt, deren Sinn aber ganz auf das schwäbische Vaterverbum herauskommt. Und dieses lautet mit hoher Wahrscheinlichkeit mocken - wobei die Vaterschaft nicht hundertprozentig feststeht. Es könnte auch das in der hochdeutschen Umgangssprache verbreitete Wort mucken in Fragen kommen.

Betrachten wir zunächst mocken: Im Schwäbischen Wörterbuch ist es ausgewiesen als "trutzen, verdrießlich tun, ein saures Gesicht machen, ohne zu reden". Möglicherweise liegt hier eine Verwandtschaft zu bocken im Sinne von "bockig sein" vor, was uns hier aber nicht weiter beschäftigen soll. Lassen wir es beim Hinweis auf eine von Aurbacher überlieferte Redewendung "mocken und bocken".

Dem entsprechend bedeutet das französisch endende Eigenschaftswort mokant dasselbe wie möckig, nämlich "finster, mürrisch", während das gleichlautende französische moquant dem deutschen Adjektiv "spöttisch" entspricht.

Nun gibt oder gab es laut Hermann Fischers Schwäbischem Wörterbuch auch ein schwäbisch-französisches Mischwort, das muckieren lautet und inhaltlich dem deutschen mucken, "sich rühren, einen Laut geben, eine Bewegung machen" entspricht. Und Fischer zitiert eine Redensart: "Muckier di net!", eine Aufforderung, sich nicht zu widersetzen.

Vielleicht haben auch beide, sowohl mocken wie mucken, das französische Fremdwort befruchtet und so zur schwäbischen Lesart von mokieren beigetragen. Denn irgendwie ist von beiden was darin enthalten, und bei näherer Betrachtung auch noch ein Schuss Bockigkeit.

Jedenfalls ist damit erwiesen, dass sich die Schwaben zu Recht auf ihre Art über jene mokieren, die meinen, sich auf hochdeutsch über die schwäbische Anwendung dieses Wortes mokieren zu müssen.

von Henning Petershagen

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