Schwäbisch für Besserwisser

Vom Bolleneis zum Rossbollen

Der Bollen: Als Maskulinum ist er der Hochsprache unbekannt. Die Schwaben hingegen nutzen diesen runden, bollenstarken Begriff gewissermaßen bollenmäßig.

Was ist ein Bollen? Laut Dudens Deutschem Universalwörterbuch gibt es nur die Bolle, und die sei erstens eine große Zwiebel oder zweitens ein Loch im Strumpf. Wahrigs Wörterbuch weiß nichts vom Loch im Strumpf, bietet dafür aber neben der Zwiebel die Knospe, die Samenkapsel oder die (große) Nase an.

Den Bollen aber suchen wir vergebens. Fischers Schwäbisches Wörterbuch übersetzt ihn als "runder Körper, Klumpen, Kugel", durchweg dreidimensionale Objekte. Es gibt aber auch Bollen, die nur zwei Dimensionen aufweisen. So greifen Zeitungsredakteure gerne auf den Bollen zurück,
um wichtige Punkte eines Artikels zu kennzeichnen
um einem Artikel den äußeren Anschein einer inneren Struktur zu verleihen oder
um den Leser am Einschlafen zu hindern.

Weist dieser Bollen die perfekte Kreis- oder Kugelform auf, darf der klassische Bollen auch unregelmäßige Konturen annehmen. Ein Rossbollen etwa kann schon aufgrund seiner Erzeugung nicht so rund sein wie der Eisbollen. Der ist seit der Einführung des Euro merklich teurer geworden, weshalb mancher Schwabe sich selbst bei der ärgsten Bollenhitze nur noch einen Eisbollen statt der bisherigen zwei gönnt.

Ist das Bolleneis vor dem Eingang in den Verdauungsprozess noch bollenförmig, so werden andere Nahrungsmittel erst im Magen-Darm-Trakt zu Bollen gerundet, vor allem im Bauch von Pferden, Schafen, Mäusen, Kaninchen oder Hunden.

Diese Bollen lösen unterschiedliche Reaktionen aus. Während der Kleingärtner Ross- und Schafbollen als Naturdünger schätzt, rufen Mäusebollen als Indikatoren für Schädlingsbefall Abscheu und Entsetzen hervor, beschäftigen Hundebollen im öffentlichen Straßenraum ganze Bürgerversammlungen. Hingegen werden Karnickelbollen eher gleichgültig zur Kenntnis genommen. Ihre Festigkeit enthebt Kleintierhalter der Entsorgungsproblematik.

Ganz anderer Natur sind die Folklore-Bollen, welche die Schwarzwälderin auf dem Bollenhut zur Schau trägt. Und die Erzieherin fördert die kreative Entwicklung des Kindes, indem sie es nötigt, aus Wattebollen Schneemännlein zu basteln.

In den meisten Fällen ist der Bollen mit dem Ball verwandt, der so rund ist wie die englische bowl, die französische boule und die spanische bola - alles Kugeln. Die Bollenhitze hingegen dürfte dasselbe sein wie die Bullenhitze. Möglicherweise gehen auch die anderen, mit bollen- geformten Verstärkungen wie bollenstark oder bollenmäßig auf den Bullen zurück - so wie saustark und saumäßig auf die Sau.

Bleibt die Frage nach dem Bollenrausch, der auch gerne als Allmachtsballen bezeichnet wird. Doch wer den hat, braucht keine Antworten mehr.

 von Henning Petershagen

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